Dienstag, 26. März 2024

So ein Milliardär hat's schwer - der arme Donald John

Donald John Trumps Takelage ächzt und schwankt. Die New Yorker Justiz strapaziert den Skipper sehr. Muss man ihn in Schutz nehmen? Winand von Petersdorff, Korrespondent der Zeitung für die Klugen, versucht es am 25.3.2024 (F.A.Z., S.15)  erneut (nach dem 23.11.2016, als er schrieb: "dass Trump vielleicht doch nicht so realitätsblind ist, wie es bisher schien"; s. meinen Blog vom 23.11.2016) mit diesen Sätzen:

"Viele teilen die Empfindung, dass Trump es nicht besser verdient hat. Das mag so sein. Trotzdem ist das Urteil fragwürdig. Es fußt auf der innovativen Anwendung eines speziellen Gesetzes des Bundesstaates New York aus den Fünfzigerjahren, das den Zweck hatte, vor allem ältere Mitbürger vor wiederholten Betrugsmaschen von Unternehmen zu schützen". 

Der arme Skipper. Er muss die Suppe auslöffeln, die er gar nicht angerührt hat. Ein erstaunliches, merkwürdig verdrehtes Rechtsverständnis des F.A.Z.-Journalisten. Was hat er in den Vereinigten  Staaten von Amerika zu suchen? Aber bleiben wir beim Auslöffeln und schmecken dessen Prosa nach:

"Das ganze Verfahren wird den Geschmack nicht los, dass politische und andere sachfremde Motive eine Rolle spielen. Einige Generalsstaatsanwälte machten auf dem Fundament solcher öffentlichkeitswirksamer Fälle Karriere und wurden Gouverneur in New York.

Eine Lehre aus dem Fall lautet, dass man besser nicht  in die Fänge der New Yorker Justiz gerät, speziell wenn man deren politische Ideologie nicht teilt".

Kennen wir den Tonfall dieses sehr deutschen Ressentiments nicht? So klagten die leitenden Herren von VW über die nordamerikanische Justiz,  als sie die Kosten für die missglückte Ingenieursleistung ihrer betrügerischen Auspuffsysteme realisieren mussten. So klagten die leitenden Herren der deutschen Industrie, als sie sich 1945 in den Nürnberger Prozessen zu rechtfertigen suchten. Um mit dem (paraphrasierten) Titel einer alten Schulfunksendung des WDR aus den 50er Jahren zu enden: Nichts Neues in Waldhagen. Nicht nur die Partei mit dem verunglückten Namen Alternative für Deutschland hält alte Ressentiments lebendig.

      

Montag, 26. Februar 2024

"Deutschland schmiert ab" titelt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (25.2.2024). Ist es so schlimm? (Das methodische Problem des Journalismus; Beobachtung der Beobachter, 103))

Das Verbum abschmieren habe ich schon lange nicht mehr gelesen oder gehört. Ich kenne es aus dem Schülertalltag: etwas wird abgekupfert/abgeschrieben. Ein Diebstahl in Not. Wenn ein Flugzeug abschmiert, ist es in Not, und es ist unwahrscheinlich, dass der Pilot oder die Pilotin es abfängt. Aus dem Hollywood-Kino der 50er wissen wir: es klappt. Tom Cruise kann es auch. Aber die Bundesrepublik Deutschland? Abschmieren? Es gibt noch das Abschmieren im produktiven Sinne: das Auftragen & Einfetten empfindlicher Verschleißteile des Automobils. Das ist allerdings aus der Mode gekommen. Heutzutage sind die empfindlichen Bereiche verkapselt. Die Hände bleiben sauber. 

Der Autor des alarmierenden Befundes ist Patrick Bernau. Er kennt die Praxis der fettigen Hände nicht mehr. Möglicherweise ist er zuviel ins Kino gegangen. So schreibt er:  Unserer Wirtschaft geht es schlecht. Daran ist nicht nicht nur die Politik schuld. Stimmt das? Die Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr beträgt laut der Einschätzung unserer  Regierung: 0,2 Prozent. Ist das Abschmieren? Wohl kaum. Patrick Bernau hat einen Text der Besorgnis geschrieben. Warum schlägt er einen solchen Ton an?

Die Printmedien sind unter Druck. Sie sind teuer - das Jahres-Abo der F.A.Z. kostet mit der F.A.S. runde eintausend Euro - und schrumpfen. Die Konkurrenz ist enorm: Wer ist der erste mit den schlechten Nachrichten? Die journalistischen Medien sind in der Krise: sie sind eingestimmt - natürlich mit Ausnahmen - auf das miserable Votum für die Arbeit unserer Regierung. Sie lamentieren und jammern die Grundmelodie: Wir wissen nicht mehr weiter; unsere Gegenwart ist zu komplex; wir haben keine Idee von unserer Zukunft. Das methodisch gepflegte Bescheidwissen zerbröselt. Unsere Zukunft ist offen. Wer trifft die besten Entscheidungen?  Das wissen wir nicht. Wir müssen gründlich überlegen. Anders geht es nicht. Unsere schlauen Journalisten müssen die Klappe halten und nicht den Anschein Bescheid zu wissen weiter hochhalten. Das geht natürlich gegen das Geschäft. Sie sollten Fragen stellen. Das reicht.

Abschmieren wäre nicht schlecht - im übertragenen Sinne: Es ist an der Zeit, die Merkel-Jahre gründlich abzurechnen und zu verstehen, wie sie journalistisch durchgewunken wurden: wie die idiotische Alternativlosigkeit durchgehen konnte und wieso an unsere Zukunft so wenig gedacht wurde. Die Planlosigkeit der alten Regierung ist skandalös. Für deren Durchwurschteln zahlen wir jetzt. Redliche Handarbeit ist von nöten. Ohne sich die Hände schmutzig zu machen, kommt man nicht voran.  Mogeln gilt nicht. Wer sagt es? Wir warten auf die Wahrheit. Es wird teuer und ungemütlich. Eine Überholung steht an. Wer macht sich richtig schmutzig und holt sich fettige Hände?


(Überarbeitung: 8.4.2024)


 

Montag, 29. Januar 2024

"Wie wollen Sie die Politiker knacken, Frau Miosga?", fragte Anke Schlipp von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (vom 7.1.2024) die Fernsehjournalistin zum Studio-Wechsel am 21.Januar 2024

 

Drei Wochen ist es her, dass Anke Schlipp in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihren Text "Wie wollen Sie die Politiker knacken, Frau Miosga?" veröffentlichte (am 7.1.2024). Der Text kommt so selbstverständlich daher. Klar, Menschen sind keine Nüsse; Nüsse-knacken macht Spaß. Aber Menschen-Knacken? Politiker-Knacken?  Das Talk-Vergnügen mit den Fantasien eines Tribunals, einer  Folter, eines  Geständnisses und einer  Hinrichtung einer (im Augenblick besonders) unbeliebten, für Projektionen empfänglichen Berufsgruppe  ist ausgesprochen. Ob die Redaktion der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Schrecken bekommen hat über das veröffentliche Zugeständnis eines sadistischen Vergnügens? Und was ist mit dem Programm-Machern der A.R.D. ? Publizistische Stille (mein Eindruck). Schweigen ist eine gut dosierte Antwort.

 Wie war nun die erste Sendung Caren Miosga am 21.1.2024? Friedrich Merz, Führer der Unionsopposition im Bundestag, war der Politiker der Sendung. Er konnte sich in seinen grammatikalisch gelungenen, langen Sätzen sonnen; interpunktiert von einem freundlichen Nachfragen und Konfrontieren mit alten Sätzen, die Caren Miosga parat hatte. Eingeladen waren die ZEIT-Journalistin  Anne Hähnig und der Soziologe Armin Nassehi, der zwei Beschreibungen der  gegenwärtigen politischen Praxis beisteuerte: die Politik-Simulation und die Inkompetenz-Erwartungen. Diese beiden Beschreibungen zu diskutieren, erwies sich als schwierig. Caren Miosga verabschiedete sich in ihrer ersten Sendung Caren Miosga  von ihrem Millionenpublikum mit dieser Fehlleistung: "Ich darf mich begrüßen". Vielleicht war sie mit sich zufrieden. Geknackt wurde niemand. 


(Überarbeitung: 30.1.2024)

 

 

 


Montag, 22. Januar 2024

Die unklare Melodie der KI

Eine Vokabel, die, einmal ausgesprochen, ein Vorverständnis und gemeinsames (innerliches) Kopfnicken erzeugt, nennen die Angelsachsen: buzz word. Es leuchtet blitzartig ein, ohne daß man sagen kann, was wie einleuchtet. Es leuchtet ein, verbreitet aber kein Verständnis. Die künstliche Intelligenz. Wie funktioniert sie? Per Algorithmus. Wie? Algorithmus? Na klar. Ist eine Rechenoperation. Wie ein Rezept (man nehme...). Ein Rezept? Eine Rechenopration? Gestern las ich: 

"Start-ups verwenden Künstliche Intelligenz, um nach neuen Medikamenten zu forschen: Dann muss man nicht mehr Tausende verschiedene Substanzen testen, ob die gegen eine Krankheit wirken, so ist die Hoffnung, sondern der Computer ahnt von vornherein, welche Substanz wirken könnte" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 21.1.2024, S. 17) . 

Tolle Sache: der Computer ahnt. Das meint der Autor Patrick sicherlich nicht ernst. Aber er macht die KI  zum Passepartout-Wort für Unsinn. Wie soll die Digitalisierung vorankommen, wenn ein Journalist das buzz word so hinschludert und kein Verständnis vermittelt?

Der schlecht gelaunte, mäkelnde Reinhard Müller von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22.1.2024

Klar, als Leser kommt man nicht mit. Man kann sich nur wundern und kurz inne halten. Reinhard Müller in seinem Leitartikel auf der ersten Seite der F.A.Z. (vom 22.1.2024): Kein Ersatz für Politik ist der  Titel des kleinen Texts. Er bezieht sich auf die vielen Demonstrationen am Wochenende mit dem - sagen wir: Abscheu gegen die braune Soße. "Demokratenfront" nennt Reinhard Müller diese verabredeten Zusammenkünfte des gemeinsamen, öffentlichen Sprechens. Eine Front ist nicht zu erkennen, wohl eine Vielzahl plakatierter, unpersönlich adressierter Einsprüche. Die Demonstrationen, gibt Reinhard Müller zu verstehen, sind Herausforderungen eines Gegners, der nicht auftaucht. Lustig, nicht wahr?

Seinen Spott gibt er nicht zu. Gravitätisch schreibt er:

"Man sollte aber nicht den Eindruck erwecken, Versammlungen mit dem Gütesiegel von Staats- und Parteispitzen wären ein zwingender Widerstandsakt. Denn der setzte ja ein Unrechtsregime voraus. Das rechtzeitige Aufstehen soll offenbar das Sitzenbleiben früherer Generationen ausbügeln. Das ist anmaßend. Aber man fühlt sich gut dabei und satt. Auch das ist eine Gefahr".

 Aber man fühlt sich gut dabei und satt. Woher weiß der gute Mann das? Mit wie vielen Leuten hat er gesprochen? Sagt er nicht. Seine abfällige Bemerkung begründet er nicht. Freut er sich nicht?

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Was ist schlecht an einem "Nicht Ausreichend!" , das das Bundesverfassungsgericht unserer Regierung erteilte?

 Unsere parlamentarische Opposition, die Union, die 1969 das erste Mal ihren Regierungsstatus an die Sozial- und an die Freien Demokraten verlor, machte aus dem Einspruch der Karlsruher Richter zum Bundeshaushalt 2023 eine untragbar schlechte Zensur; ihr Anführer verrenkte sich bei seinem verbalen Aufschäumen fast den Hals - man musste sich um ihn sorgen. Was war so schlimm? Wir leben in einem Land, in dem nicht ausreichende Noten intolerabel sind. In der ersten Hälfte der Sexta erhielt ich in zwei Latein-Arbeiten zwei Ungenügend. Meine Eltern waren entsetzt; das waren sie von mir bislang nicht gewöhnt. Das waren nicht die einzigen schlechten Zensuren meiner Schul-Karriere. Meine Eltern mussten sich an aufregende Schulzeiten gewöhnen. In der Abiturprüfung versiebte ich drei Arbeiten, konnte mich aber in den mündlichen Prüfungen behaupten und die schlechten Zensuren kompensieren. Für das gymnasiale Turnier kam ich mit neun Jahren aus. Im Studium ging es dann - weniger dramatisch - gut.

Was sagt uns das Theater um die schlechte Schulnote für unsere Regierung? Heiße Luft. Und Heuchelei. Der Wunsch, die Regierung straucheln und stürzen zu sehen, dominiert - und wird notdürftig mit der Besorgnis um die schlechten Umfrage-Resultate kaschiert. Subtext: wann wird die Ampel demontiert? Heute jedenfalls nicht. Unsere Regierung ist zäh. Was würde wohl der Mann aus Brilon sagen, würde die Öffentlichkeit ihn so angehen? Schwer vorzustellen, wie die Mitglieder unserer Regierung und deren beratende Leute abends einschlafen können. Erbarmungslos werden sie gehetzt. PISA ist hinzugekommen. Die bundesdeutsche Gesellschaft ächzt unter den nationalen wie internationalen Aufgaben. Wie lange reichen die Kräfte? die Mittel? Wie hieß es noch, als die ehemalige Kanzlerin ihre Neujahrsansprachen hielt? Deutschland ist ein starkes Land. Das war eine zu gute Zensur  der Aufmunterung zur falschen Zeit. Schlechte Zensuren können dagegen anspornen.  Sie tragen dann zu einem Realismus bei und relativieren die Neigung zur Selbstüberschätzung. 

Nachtrag (8.12.2023)

Die Hoffnung auf einen politischen Realismus ist möglicherweise - treuherzig und blind. Heute  (8.12.2023) fragt der Leitartikel der ersten Seite der F.A.Z.  Kanzler Merz?; sein Autor Peter Carstens setzt auf Polit-Klatsch und auf eine personelle Rochade, nicht auf eine weithin geteilte Einsicht in die gewaltige, enorm drängende Aufgabe, die die Erderwärmung uns allen stellt. 

 


 

  

Sonntag, 26. November 2023

Markus Preiß kommentierte mutig den Ausgang der niederländischen Parlamentswahl in den Tagesthemen der A.R.D. am 23.11.2023 mit dem Blick auf die Bundesrepublik: Was können wir lernen?

Erstens. Die Aufgabe der Regierungsverantwortung, vermutet Markus Preiß, hat den Sieg von Geert Wilders ermöglicht. 

Zweitens. Sich zu fügen und nicht zu widersprechen, "kann dumm enden", so Markus Preiß. "Wer wie Viele in den Niederlanden Themen wie fehlende Bildung oder schlechte Wohnungen oder vielleicht sogar Zahnarzt-Termine mit dem Thema Migration verknüpft, darf sich nicht wundern, wenn dann der gewählt wird, der schon immer gegen Migration war".

Drittens, führten die Niederlande vor, "wie gefährlich die Arroganz der Macht werden kann", so Markus Preiß. "Bei unseren  Nachbarn", führte er aus, "wird der langjährige Regierungschef Rutte Teflon-Mark genannt - einer, der alles abschüttelt. Und unser Kanzler ist oft ähnlich gut beschichtet. Doch Bürger erwarten klare Antworten auf berechtigte Fragen. Olaf Scholz mag es gefallen, selbstgewiss lächelnd, irgendetwas zu antworten, das nicht das Geringste mit der Frage zu tun hat. Doch ich glaube: das richtet irgendwann Schaden an. Menschen spüren, wenn sie nicht ernst genommen werden - wenn man ihnen gar ausweicht. Vielleicht auch jetzt, wenn Millionen Deutsche wissen wollen, woher eigentlich das Geld kommt - und der Kanzler schweigt".

Der Kanzler, könnte man auch sagen, unterschätzt das Bedürfnis nach Wahrheit. Er gibt nur ungefähre Auskunft über die Zukunft unserer Lebensverhältnisse und verschweigt die ungeheure Dringlichkeit, unsere Lebensformen energisch zu revidieren und zu transformieren. Das Verschweigen der in der  Regierungsmannschaft unterschiedlich geteilten Auffassung der Dringlichkeit hilft nicht. Es reicht nicht,  die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Erläuterung der Notlage für den Zeitraum des einen Jahres, in dem der Bundeshaushalt konzipiert wird, unserer Republik zu beschreiben. Wir haben angesichts der gewaltigen Erderwärmung mit ihren zu erwartenden ungeheuren Katastrophen  und Kosten für die Weltbevölkerung eine Dauer-Notlage. Unser demokratisch legitimiertes und (für viele unserer Leute) nicht schlecht abgepuffertes Leben wird teuer und ungemütlich. Um diese Wahrheit geht es. Die Zeit des Beschwichtigens, des Abwartens und Taktierens ist abgelaufen. Wir haben auch keine Zeit mehr, Kriege zu führen.