Freitag, 15. April 2011

Oh, oh, was haben wir nur getan?

Mit drei Schlagzeilen empfängt die SZ heute ihre Leserinnen und Leser - in dieser Reihenfolge:
"Erste Berechnung der Bundesregierung" (unterstrichen; Schriftgröße: zehn Punkte);
"Energiewende kostet Milliarden" (fett; Schriftgröße: einundzwanzig Punkte);
"Schnellerer Ausstieg aus der Atomkraft wird Bürger stark belasten/Merkel trifft sich mit Ministerpräsidenten" (fett; Schriftgröße: zehn Punkte).

Auf der vierten Seite der SZ beschreibt die Kommentartorin oder der Kommentator den an die Bürger adressierten Subtext dieser Meldung: "Das habt ihr jetzt davon". "Angstmache mit steigenden Kosten", nennt das die SZ, ein weiteres "Ablenkungsmanöver", dass unsere Bundesregierung erst jetzt zu rechnen anfängt. Hätte sie das nicht im vergangenen Jahr tun müssen? Hätte sie das nicht schon längst wissen können? Seit den 70er Jahren wissen wir, dass die Folgekosten des mit der Atom-Energie erzeugten Stroms unbezahlbar sind. Wird seitdem nicht ständig nachgerechnet, wie die dringendsten entstehenden Kosten aussehen? Die Bundesregierung rauft sich in der Öffentlichkeit die Haare. Wer mag sich diese Inszenierung der Hilflosigkeit ausgedacht haben? 

Was wir sagen, was wir tun

Die Sozialwissenschaftler, die Befragungsstudien konzipieren, ringen mit dem Problem, dass die Leute, nach ihrem künftigen Handeln befragt, Auskünfte geben, nach denen sie nicht handeln. Sagen und Tun sind zweierlei. Häufig erheben Befragungsstudien die guten Vorsätze, die, wie wir wissen, die üblichen Versprechen an eine entfernte Mutter-Figur sind, der Selbst-Beruhigung dienen und nicht eingehalten werden. Häufig wissen die Befragten auch gar nicht, wie sie handeln werden - so gut kennen wir uns gar nicht. Jetzt sind Befunde auf den Tisch der  Öffentlichkeit gekommen, die besagen, dass Ärzte und Ärztinnen für ihre eigene Gesundheit nicht das veranlassen, was sie ihren Patientinnen und Patienten empfehlen zu veranlassen. Die SZ vom Dienstag, dem 12.4.2011, machte auf ihrer ersten Seite diesen Befund mit der Überschrift auf: Schlechtes Vorbild Arzt.

Nein, könnte man sagen: Gutes Vorbild Arzt. Denn dieser Mediziner ist für sich selbst vorsichtig und unternimmt nicht alles, was die Branche empfiehlt - so könnte man doch dessen Verhalten verstehen. Er selbst hält sich aus dem Geschäft heraus. Er ist nicht ohne weiteres Kunde. Er lässt sich sich von dem medizinischen Angst-Management, das den unverfänglichen Namen Vorsorge trägt, nicht einfangen und nicht treiben. Er lebt mehr in den Momenten der Gegenwart und nicht so im Ausfantasieren der künftigen späten Jahre, in denen er in blendender Kondition nachholt, was ihm bis dahin nicht gelang. Man müsste genau überprüfen, was Mediziner für sich selbst tun. Vielleicht enthält ihr Selbst-Management ausreichend vernünftige Handlungen, mit deren Auflistung sich die Kosten unseres Gesundheitssystems schlagartig reduzieren ließen.