Dienstag, 15. Mai 2012

In olden days / A glimpse of stocking / Was looked upon something shocking / Now heaven knows - anything goes

Natürlich geht nicht alles. Das wusste Cole Porter, der dieses Lied schrieb und komponierte, genau. Er blieb nie unter seinem Niveau. Das ist keine Geschmacksfrage, sondern eine Frage der (künstlerischen) Redlichkeit. Cole Porter hielt sein Publikum nicht für dumm. Für eine Tageszeitung gilt die journalistische Redlichkeit. Die BILD-Zeitung lügt jeden Tag mit ihrer Werbung "BILD dir deine Meinung". Daran hat deren Redaktion kein Interesse. Geliefert wird Tag für Tag das Bad im Ressentiment; die Redaktion denkt an eine Leserschaft, die ihre Verbitterungen und ihre Abneigungen bestätigt sehen möchte. Heute lautet die Schlagzeile - beim Bäcker gelesen: "Porsche fährt durch Café-Terrasse". Porsche.

Von einer Tageszeitung erwarte ich, dass sie ihren Leserinnen und Lesern die Kontexte ausreichend beschreibt, so dass man eine Idee bekommt von dem was läuft. Die SZ bemüht sich mehr und mehr, darüber hinaus die Subtexte der öffentlichen Diskussion zu beschreiben. Deshalb finde ich es in Ordnung, dass die drei Journalisten der SZ, Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter, den Henri Nannen-Preis verweigerten, der gleichzeitig an die BILD-Journalisten Nikolaus Harbusch und Martin Heidemanns verliehen wurde - sie wollten nicht von einer  Jury ausgezeichnet werden, die nicht differenziert zwischen journalistischer Redlichkeit und journalistischer Unredlichkeit. Noch immer sind die Kontexte entscheidend für die Wahrnehmung der Bedeutungszusammenhänge. Der Kontext des Ressentiments erstickt einen nachdenklichen Gedanken. Im Kontext des Ressentiments kann man vom Verständnis sprechen und zur Hetzjagd einladen. Der Slogan "BILD dir deine Meinung" - der im Klartext Pflegst du nicht auch gern dein Ressentiment? heißt und zu dessen Unterstützung und Beschwichtigung prominente Gesichter gekauft wurden (die man sich alle merken sollte) - ist das beste Argument gegen diese Zeitung. Ein Bravo!  für die SZ-Journalisten, die sich am vergangenen Freitag, den 11.5.2012, nicht vereinnahmen ließen für den zynischen Ausverkauf journalistischer Ideale und die sich für diese Art von Auszeichnung bedankten.