Montag, 21. November 2016

Neues von den Hütern der Heiligen Kuh XXXXIV: sie sind in Not und schimpfen und mogeln sich durch die Öffentlichkeit

Matthias Müller,  Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, ist interviewt worden; das Gespräch wurde gestern (am 20.11.2016) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (S. 25, Nr. 46) veröffentlicht. Er wurde gefragt, ob er verstehen könnte, dass sich die bundesdeutschen Kunden benachteiligt fühlen könnten.

Seine Antwort: "Emotional kann ich das nachvollziehen. Aber man kann das nicht über einen Kamm scheren, denn die Ausgangssituation ist völlig unterschiedlich. Den Kunden in Europa entsteht ja kein Nachteil, weder beim Verbrauch noch bei den Fahreigenschaften. Und wenn ich das anfügen darf: Auf der einen Seite kritisieren viele die amerikanische Gesetzgebung in anderen Zusammenhängen, siehe TTIP. Wenn es aber darum geht, Vorteile daraus zu ziehen, scheint das amerikanische Recht auf einmal der richtige Weg zu sein".

Sätze eines Verkäufers, der seinem Kunden einzureden versucht, dass er mit dem Produkt zufrieden sein soll, weil es doch funktioniert. Ein Betrug, der bei uns von einer gelähmten Behörde toleriert und strafrechtlich (noch) nicht verfolgt wird, ist kein Betrug, sondern normale Praxis der Korruption. Wieso die Aufregung? sagt uns Matthias Müller unter der Hand. Alles in Ordnung.  Dann folgen die schlichten Sätze zum U.S.-Recht: es diene nur der Bereicherung (Vorteile daraus ziehen) - und sei deshalb ungerecht. Matthias Müller klagt über das U.S.-Rechtssystem. 

Dann klagt er den Kunden an. Zur Elektromobilität gefragt, ob die bundesdeutsche Auto-Industrie sie verschlafen hätte, antwortet Matthias Müller: Nein. "Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage: Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger".

Haben wir spitze Finger? Man müsste die Antworten der Leute, die keine E-Autos kaufen, dazu untersuchen. Sicher ist: die Technik ist neu und ungewiss. Die meisten werden das Geld für mobile Experimente nicht aufbringen können oder aufbringen wollen. Elektromobilität ist ein Wort, das gut klingt, aber in unseren Alltag noch nicht hinein passt. Sie erfordert einen anderen Umgang mit dem Auto. Tankstellen sind überall - aber wo sind die Steckdosen? Tanken geht in ein paar Minuten, aber wie lange dauert das Aufladen? Weiß doch keiner im einzelnen. Die Umstellung ist  schwierig. Wenn wir künftig  jemanden besuchen, suchen wir zuerst die Steckdose. Das lange Kabel haben wir dabei.  Ein zweites Auto zur Kompensation der (vergleichsweise) beschränkten Mittel des von einem Elektromotor getriebenen Fahreugs wäre nicht schlecht. Spitze Finger: der Mann hat einen Chauffeur!

Was Matthias Müller nicht sagt:
1. das von einem Verbrennungsmotor angetriebene Auto ist ein Auslaufmodell. Die Fantasie von der aristokratischen Kutsche vor der Haustür verlebt sich in den Großstädten.
2. Elektromobilität ist ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft; niemand weiß, wie sie alltagstauglich sein wird. Wie sollen 40 Millionen von Explosionen angetriebenen Autos ersetzt werden? Die VW-Leute reden, wenn der Tag lang ist und die ungläubigen Journalisten sprachlos zuhören und mitschreiben.
3. Sie ist ein wilder Plan der Produkt-Diversifikation und der Produkt-Auswechslung. Auf sie zu setzen, ist eine heftige Lenk-Bewegung und Ausdruck der Wolfsburger Not: es gibt offenbar keine Konzeption einer kontrollierten Evolution unserer Mobilität. Die  Grundidee besteht im Austausch des Antriebs. Am einzelnen Fahrzeug - an der Fantasie der Kutsche - wird festgehalten. Die Überlegungen zur Veränderung der Mobilität wirken allgemein und hingetupft.  Die VW-Leute tagträumen und tagträumen. Sie hoffen natürlich auf eine Regierung, die ihnen die Steckdosen und andere Infrastrukturen bezahlt. Die Idee der eigenen Batterien-Herstellung kursiert zur  Beruhigung der VW-Leute, die nicht wissen, wohin mit ihrem riesigen Konzern, der für den Ausstoß von Millionen Fahrzeugen ausgelegt ist: wie ein 400 Meter langer Tanker, der auf dem Rhein verkehren möchte.
4. Der Konzern plant, 30.000 Mitarbeiter und Mitarbeiter zu entlassen. Das wirkt wie der Beginn einer Münchhausen-Strategie. Das ist der Beginn der Politik einer enormen Schrumpfung. Wir erfahren nur Halbwahrheiten.
5. Der Konzern verfolgt jetzt eine widersprüchliche Politik: einerseits die Elekromobilität  - andererseits, für den nordamerikanischen Markt, die Riesen-Autos auf Riesen-Rädern. Wie geht das zusammen? Gar nicht. Die Konzern-Leitung verspricht, was sie für Markt- und Politik-tauglich hält. Schließlich hat unsere Kanzlerin, um ihre eigene Haut zu retten, die Elektromobilität versprochen.
6. Matthias Müllers Kunden-Beschimpfung ist der bekannte Ausruf des Diebs, den Dieb zu halten.
7. Matthias Müllers und Herbert Diess' (des VW-Markenchefs)  bescheidene Argumentationen  zur Not und Zukunft der verfolgten Unschuld - die jetzt wie ein ertappter Dissozialer verspricht, sich komplett zu ändern - ist kein gutes Zeichen.
8. Es ist auch kein gutes Zeichen, dass in unserer Republik kein Losprusten über die gut geföhnten VW-Herren zu hören ist. Natürlich ist unsere Abhängigkeit von einem Konzern wie VW beunruhigend. Wieder werden Familien bedroht, Lebenspläne zerstört, Menschen an den Abgrund gedrückt. Die Lebensrealitäten verschwinden im Nebel der Kutschen-Fantasien.

(Überarbeitung: 23.11.2016)       

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