Montag, 16. Januar 2017

Zur Aufregung um die so genannten Fake news

Facebook hat angekündigt, Beiträge in den Foren auf ihre Substanz zu prüfen - so dass die fake news nicht mehr durchgehen. Nikolas Busse von der F.A.Z. nennt das Prüfung auf den Wahrheitsgehalt (16.1.2017, S.1). Halten wir fest: Wahrheitsgehalt. Nikolas Busse fragt nach den Kriterien der Prüfung. Er fragt weiter: "Und soll eine gewinnorientierte, noch dazu amerikanische Firma darüber entscheiden, was in Deutschland politisch wahr und was falsch ist?"

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung  - ist sie nicht gewinnorientiert? Sicher doch. Was ist dann der Wahrheitsgehalt seines Satzes?

Was ist mit dem Satzteil: noch dazu amerikanische Firma? Das ist die Floskel eines Vorurteils: in Sachen bundesdeutscher Demokratie haben uns die Nordamerikaner nichts zu sagen. Stimmt und stimmt nicht. Außerdem sagt die Zeitung für die klugen Köpfe ständig etwas zur Politik der U.S.-Amerikaner. Mehr denn je. Das zählt zum Auftrag der Zeitung. Klar doch. Halten wir fest: mit dem Wahrheitsgehalt ist es nicht einfach.

Zweites Beispiel der Aufregung. Schlagen wir den Feuilleton-Teil der Zeitung (S. 9) auf. Dort ist der Beitrag von Rolf Schwartmann abgedruckt mit den Überschriften: "So bekämpft man die Lüge im Netz. Fake News zersetzen die Demokratie und pervertieren das Recht auf Meinungsfreiheit". Müssen wir uns Sorgen machen? Nein. So schnell schießen die Preußen nicht, sagte mein Vater, wenn es brenzlig wurde. Sorgen müssen sich die machen, die mit einem schlichten Konzept von Wahrheit und Lüge durch die Gegend laufen.

Wahr und falsch scheinen einfache Adjektive zu sein. Stimmt aber nicht. Paul fragt Georg: "Wie geht's?" Georg antwortet: "Gut. Keine Klagen. Bin zufrieden". War die Antwort wahr oder falsch? Who knows? Wahrscheinlich beides. Georg, kann man ihm unterstellen, schützte sich vor Pauls weiteren Fragen. Kann man das als Lüge bezeichnen? Nein. Die Dichotomie von wahr und falsch ist schwierig. Was ist mit den zivilisierten Umgangsformen der Höflichkeit und des Takts? Taktlos sind die Ehrlichen heißt ein dröhnendes deutsches Klischee.

Aber kehren wir zu den news zurück. Die Vorurteilsbereitschaft hat ihre große Foren im Internet bekommen. Die deutlich konturierten Affekte der Zuneigung und der Abneigung haben ihre Foren im Internet bekommen. Ist das sehr schlimm? In unserem Alltag erfahre ich hin und wieder die Abneigung einiger Verkehrsteilnehmer, die mit meiner - vielleicht bedächtigen (ich bin nicht mehr 20) - Fahrweise nicht einverstanden sind; gestern hupte einer hinter mir her, während ich abbog; vor einigen Monaten zeigte mir eine lady am Steuer ihres weißen SUVs - der Höhepunkt des an mich addressierten Ärgers in meiner Autofahrer-Karriere - den Stinkefinger. Schlimm? Ich hatte dran zu knabbern - wie dieser Blog belegt, wirkt diese Kränkung noch nach. O.K. Kränkungen sind Alltag und sie sind ehrlich gemeint. Wir lernen, sie zu sortieren und abzulegen (mehr oder weniger).

Kommen wir zu den fake news oder zu den not so fake news. Die kriegen wir laufend -  als real news serviert. Beispiel aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung von heute (16.1.2017, S. 14): "Donald Trump legte gerade eine steile Lernkurve hin. Gespräch mit BILD-Herausgeber Kai Diekmann". Karl Diekmann schwärmt vom gut informierten, offenen, unverstellten president-elect. Na, ist er nicht Klasse, der künftige U.S.-Präsident? Das Gespräch unter acht Augen, das Karl Diekmann führte, ist kein Maßstab. Wenn D.T. in anderen Gruppierungen spricht und handelt, sieht das möglicherweise (sehr wahrscheinlich) ganz anders aus. Man könnte natürlich auch sagen: wenn D.T. sich je nach Format und Kontext anders verhält, ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Mit anderen Worten: Karl Diekmann hat keinen fake betrieben, aber die Differenz der verschiedenen Strukturen und Kontexte verschiendener Interaktionen nicht bedacht. Real und fake gehört derzeit zum Repertoire aufgeregter, aufgescheuchter Beobachter der öffentlichen Prozesse. Sie lassen sich nicht so schlicht sortieren. Zudem, letzter Satz für heute, sind wir ein Leben lang damit beschäftigt, die Substanz der eigenen und der fremden Kommunikationen zu verstehen und zu sortieren.         

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