Dienstag, 30. Mai 2017

Angela Merkel IV: Polit-Kitsch

Donald Trump was in Italy.
Unsere Kanzlerin war unzufrieden mit der Begegnung. Was hatte sie erwartet? In der Pressekonferenz dort und in Bayern im Festzelt sagte sie: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt". Und: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen".

Den letzten Satz hatte sie Ende Januar gesagt. Die Wiederholung macht den Kitsch nicht weniger süßlich. Was haben sie und ihre Leute in der Zwischenzeit überlegt? Offenbar nichts Kommunizierbares. Wie also sollen wir Europäer unser Schicksal in die Hand nehmen? Wer sind die Europäer? Gemeint sind doch wohl: die europäischen Regierungen? Merke, Merkel: sie hält sich raus; sie bleibt unscharf; sie ist rührselig: wir Europäer! Die europäischen Regierungen sind  zerstritten und sich - vorsichtig gesagt -  gram. Nächste Frage: wie nimmt eine Regierung ihr Schicksal in die Hand? Wie nimmt man sein Schicksal in die Hand? Berlin ist von mir 600 km entfernt. Ich kann kein Losprusten hören. Wo bleibt das kräftige Lachen? Die Zeitung für die klugen Köpfe titelt heute Morgen beflissen:

"Merkel: Wir Europäer müssen unser Schicksal in die Hand nehmen" (29.5.2017, S. 1).

Unsere Kanzlerin richtet sich nach dem in Umfragen ermittelten mainstream - sie sagt, was man ihr sagt. Also stimmt sie in den Chor der Verachtung des amtierenden U.S.-Präsidenten ein. Das ist zu einfach. Und nicht demokratisch. Und unklug. Der U.S.-Präsident wurde gewählt und repräsentiert den Aufschrei des Missvergnügens seiner Wählerinnen und Wähler. Der Aufschrei kommuniziert eine Lebensverzweiflung. Die muss ernst genommen und verstanden werden. Zudem hält Politik die Türen offen. Auf einmal spuckt unsere Kanzlerin große Töne und vergisst unser Angewiesensein und unsere Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und erinnert sich schlecht. Was soll die Formel: sich je völlig verlassen zu können? Was war mit den Freunden, die einen abhören? Eine unausgesprochene Kaskade der Missverständnisse und des Unverständnisses. Als würden uns die paar Mark Wirtschaftsbilanz-Überschuss unabhängig machen. Wer glaubt, dass Reichtum einen reich macht? Es sind immer nur die guten, kreativen Beziehungen, die einen reich machen. Wie steht es darum bei einer Kanzlerin der ausladenden Gesten bei der Vermittlung der Geschäfte? Die andere, ungeklärte Frage ist: Wie abhängig ist die Bundesrepublik? Welche Rechte, die wir nicht kennen, haben die Alllierten? Fragen über Fragen. Polit-Kitsch ist die Rhetorik der Hilflosigkeit, der Konzeptionslosigkeit und des verwalteten Stillstandes. Eine Politikerin, die vom Schicksal spricht, sollte keine Politik machen. Ein Schicksals-Politiker aus den 30er und 40er (erste Hälfte) Jahre des vorigen Jahrhunderts reicht.

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