Montag, 31. Juli 2017

Polit-Pomp: der "Diesel-Gipfel"

Eine Farce läuft vor unseren Augen ab.
Dass die Formel vom Diesel-Gipfel sich ausbreiten und festsetzen konnte in der öffentlichen Diskussion, ist ein schlechtes Zeichen. "Gipfel" ist ein Worte-Import aus dem Englischen. Beim  summit wurden langfristige politische Konzeptionen zu entwickeln, auszuhandeln und festzulegen versucht. Jetzt am Mittwoch auf dem "nationalen Forum für den Diesel", wie diese Verabredung laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung heute (am 31.7.2017) offiziell heißt, geht es um die Folgen des strafrechtlich relevanten Betrugs unserer größten Automobil-Hersteller. Gipfel ist das verlogene Spaß-Wort für das vermeintlich lustige Abrechnen einer ratlosen Regierung mit den mächtigen Herren und für das  Desinteresse an einer substanziellen Diskussion.

Um welche Folgen geht es? Um die Nachbesserungen der verfuschten Fahrzeuge. Das aber ist doch selbstverständlich: wer betrügt, kommt für den Schaden angemessen auf.  Die Krämer der Industrie wollen am liebsten nix zahlen - ein paar Klicks sollen reichen.Sie haben alles nur getan im Dienste des nationalen Geschäfts, mit dem unser Wohlstand erhalten wird. Wieso kommt einem dieses Muster so bekannt vor: die Betrüger gerieren sich als Opfer. Gibt es niemanden in unserer Regierung, der sich erinnert oder sich zu erinnern traut? Warum rollt unsere Regierung den roten Teppich des Gipfels - der heimlichen Anerkennung aus? Warum stellt sie nicht einfach Forderungen? Im exklusiven Einzelgespräch?  Es genügt, dass sicher gestellt wird, dass die nachgebesserten Fahrzeuge die gesetzlichen Normen erfüllen. Ist das so schwer durchzusetzen?

Offenbar gibt es eine Scheu, das Selbstverständliche von den Herren der Pferdestärken zu verlangen. Es ist so einfach, nur an die Verbrennungsmotoren zu denken.  So tritt man niemandem auf die Füße. Wo ist die verkehrspolitische und energiepolitische Konzeption, die Öffentlichen Verkehr, Radfahr-Verkehr, die Bewegungen der Passanten im öffentlichen Raum und den privaten und geschäftlichen motorisierten Verkehr zusammenbringt und aufeinander abstimmt? Die gibt es nicht.

Freitag, 28. Juli 2017

Angela Merkel VI: die Maut-Kanzlerin

Unsere Automobilindustrie schlingert - für sie gibt es leider kein EPS. Dessen Funktion hätte eine  vernünftige Verkehrspolitik realisieren müssen. Die gab es bei uns nicht. Immerhin wurde unter mächtigem Getöse von einigen mutigen Leute die Sicherheitsgurt-Gesetzgebung eingeführt. Das war in den 70er Jahren und ist lange her. Damals gab es die Warnung von der Begrenzheit der Öl-Ressourcen und vier so genannte Auto-freie Sonntage. Es gab eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen (auch ein Riesen-Gedöns) und eine Geschwindigkeits-Empfehlung für Autobahnen. Eine Empfehlung ist eine Empfehlung. Im deutsch-bundesdeutschen Kontext heißt das: was nicht verboten ist, ist erlaubt.  Eine Bemerkung von Wolf Zuelzer zu den möglichen Lehren aus der politischen Korruption, die mit dem Namen des Appartment-Blocks Watergate verbunden ist, aus dem Jahr 1975 (in seinem Buch Selbstzerstörung der Demokratie) geht mir nicht aus dem Kopf: "Man darf das System nicht allzu stark belasten" (S. 28). Er meinte: das demokratische System.

Man muss sich zurückhalten und sich für das Gemeinwohl bescheiden. Die Autoindustrie hat sich nicht demokratisch verhalten und sich für das Gemeinwohl nur soweit interessiert, wie es ihrem Geschäft diente. Der strafrechtlich und zivilrechtlich relevante Betrug spricht eine deutliche Sprache. Sie hat geklotzt auf Teufel komm' raus - und hat die Wünsche und Fantasien ihrer Kunden gut bedient. Im Zusammenspiel mit einer lahmen Verkehrspolitik (deren Repräsentanten gern in die großen Autos einsteigen und die Auto-Herren umarmen) und mit denjenigen Protagonisten der öffentlichen Diskussion, die sich als Lautsprecher und Vermittler der Fantasien und Wünsche verdingen und mitspielen und mitprofitieren. Dabei hat unsere Automobilindustrie - zumindest ihre leitenden Damen und Herren - im protzigen Tagesgeschäft einzukalkulieren vermieden, dass unsere Gegenwart eine Zukunft hat.

"Mit mir gibt es keine Maut", hat unsere Kanzlerin im vorletzten Wahlkampf erklärt. Die Maut kam - mit einem unsäglichen, teuren Theater. Die Theater-Vorstellung läuft noch - wahrscheinlich noch
eine ganze Weile. Sie beschäftigt eine Vielzahl von Beamten, Politikern und Journalisten, die ihre Zeit und die Zeit der die öffentliche Diskussion verfolgenden Bürgerinnen und Bürger missbrauchen für eine Wahl-taktische Farce. Sie passt zu der einzigen präzisen, weil offenbar unkontrollierten  Aussage unserer Kanzlerin - die ich kenne - : Regieren ist permanenter Wahlkampf. Der Satz ist ein demokratisches Missverständnis. Regieren ist das strapaziöse Werben für und Durchsetzen von politischer Substanz. 

Und jetzt? Hat unsere Regierung eine Idee?
Heute, am 28.7.2017, kann man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen:
"Das absehbare Ende des Verbrennungsmotors. Konkrete Termine für das Ende von Diesel- und Benzinmotoren gibt es nicht. Doch die Bundesregierung hat schon einen klaren Fahrplan".

Das Wort vom klaren Plan ist eine Lüge. Die zuständige Journalistin oder oder der zuständige Journalist refriert vage Vorhaben à la eine  Million Fahrzeuge mit Elektromotoren bis 2020, aber keinen klaren Plan.  So wird eine substanzlose Politik aufpoliert und verkauft und toleriert. Das Erstaunliche ist: diese Zeitung für die klugen Köpfe - wer immer die Politik der Redaktionen bestimmt - realisiert nicht: dass der Betrug der Automoblindustrie einen Angriff auf unsere demokratischen Institutionen bedeutet. Der Aufschrei der Maut-Kanzlerin bleibt aus. Unter Freunden betrügt man nicht. Wieso auch? Sie muss zuerst eruieren, wie die Wählerschaft betroffen ist und die Wahl-Chancen aussehen. Dass wir unsere Lebensformen dringend verändern müssen, hat sie noch nicht verstanden. Wieso auch? Sie und ihre Mannschaft sind plan- und hilflos - vor lauter Wahlkampf denken sie nur an Wahlkampf. Vielleicht ist mehr nicht drin.

(Überarbeitung: 2.8.2017)

Neues von der Heiligen Kuh XXXXXVII: sie kann nicht länger draußen bleiben

Das Cayenne-Modell mit dem Drei-Diesel muss in die Werkstatt und darf nicht weiter gebaut werden. "Höchststrafe für Porsche" titelt Martin Gropp seinen Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von heute (27.8.2017, S. 1). Höchststrafe. Was ist das? Niemand ist verurteilt worden. Martin Gropp meint: das geht ganz schön gegen Porsches Stolz. So sympathisiert der Journalist mit der Autofirma, die mit der Lizenz zur Verschwendung durchs Bolzen-Können ihr Geschäft  betreibt. Schlimm? Es ist doch gut, wenn der Straßenverkehr nicht mehr Herren-Verkehr, sondern gelassener Transport ist.

Neues von der Heiligen Kuh XXXXXVI: good news are bad news

Schlagzeile in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 10.7.2017 (S. 22) - Schriftgröße: 24 Punkte: "ENBW baut an Autobahnen 1000 Ladesäulen für Elektroautos". Ein Tausend! Das ist doch was. Liest man den Text, erfährt man: das Aufladen eines Fahrzeugs mit Elektromotor dauert 30 Minuten.
Dreißig Minuten. Dann werden die Batterien sicherlich ganz schön heiß. Kann man dann losfahren? Wie lange dauert das Auftanken mit der Zapfpistole - vom Aussteigen bis zum Einsteigen? Zehn Minuten? Wenn die Zapfsäule für einen frei ist. Wieviele Ladesäulen braucht man
dann? Schwer zu sagen. Zum Glück müssen nicht auf einen Schlag die Zapfsäulen ersetzt werden. Aber überschagen wir: für eine Zapfstation wären drei Ladestationen nicht schlecht.

Da muss dann eine Menge verlegt werden: nicht nur  die dicken Steckdosen, sondern auch die
dicken Kabel, für die dann die Zuwege aufgerissen werden müssen, was den Platz  an den Tankstellen verknappt und Wartezeiten für die Kunden mit den Verbrennungsmotoren bedeutet. Mit anderen Worten: was einfach aussieht, ist nicht einfach. Elektrifizierung ist schwierig. Die Bahn hat's geschafft. Die stellt ihren eigenen Strom her. Vielleicht sollte man die Leute von der Bahn ranlassen, nicht die Leute eines Atomkonzerns, die sich umzustellen beginnen und mächtig dazu lernen müssen. 

Freitag, 14. Juli 2017

Neues von der Heiligen Kuh XXXXXV: die Weiden werden knapp

Sie erinnern sich noch an das Thermofenster, das die Mercedes-Leute vor einiger Zeit einführten, um ihre Not mit dem Diesel-Motor  zu erläutern? Er muss erst warm laufen und seine Abgase komplett loswerden, bevor sie gefiltert werden können. Wie lange muss das Fenster  geöffnet bleiben? Sagten die Mercedes-Leute nicht. Aber sie sagten genug: der Diesel braucht zu lange.

Vor ein paar Monaten haben wir unseren Mercedes-Diesel verkauft. Baujahr: 2005. Laufleistung: 310.000 km. Ein gut zu fahrendes Auto. Der dritte Turbolader war gerade eingebaut worden. Jetzt
war das Aggregat, das den Motor zusätzlich aufheizt, damit er auf Betriebstemperatur kommt, ausgefallen und sollte teuer ausgetauscht werden. Das war uns genug. Seitdem fahren wir einen
Mercedes-Benziner. Ob das besser ist, muss man sehen. Aber der Ausfall des Aufheizungsaggregat lehrt: die Diesel-Technik ist kompliziert und teuer. Sie wird am Leben gehalten mit Tricks & Täuschung. Der Betrug ist auch ein Schutzmanöver - für welche Interessen auch immer. Er spricht eine deutliche Sprache. Man muss sie nur ernst nehmen.

Was sagte unsere Kanzlerin vor ein paar Tagen? Laut F.A.Z. vom 12.7.2017 (S. 17): "Wir haben den Diesel immer protegiert und sollten deshalb auch nicht einfach abrücken, weil er weniger CO2-Emissionen verursacht". Unsere Regierungen haben die Autoindustrie schon immer protegiert und ihr die Verkehrspolitik überlassen. Jetzt wickelt sie sich ab - und wir kriegen die Quittung für die grandiose, Milliarden-verschwendete, automobile Hochrüstung der letzten fünf Jahrzehnte. Jetzt sollen wir - drängt die Automobilindustrie - einen Verkehr bekommen, der wie ein großzügig subventionierter Nahverkehr daher kommt und mit dem euphemistischen Etikett autonomes Fahren propagiert wird: wie auf Schienen, fein geordnet hinter- und nebeneinander in mäßigem Tempo werden wir uns dann bewegen können. Aber wahrscheinlich ist das autonome Fahren eine der verzweifelten industriellen Zuckungen, im Geschäft zu bleiben. Denn wer soll das bezahlen?

Wie kommentiert die F.A.Z. die Tragödie politischer und industrieller Blindheit? Abteilung Wirtschaft, S. 17 (14.7.2017): "Der Abgasskandal kommt Daimler näher" - lautet die Schlagzeile. Die Katastrophe kommt - von irgendwoher. Nein, sie kommt von - von den Mercedes-Leuten. Offenbar sollen die Mercedes-Leute nicht verantwortlich sein: irgendein Wetter schlägt gewaltig um und setzt ihnen zu. Die (redaktionell zuständigen) Leute von der Zeitung aus Frankfurt gehen erst einmal in Deckung.


(Überareitung: 16.7.2017)